Rückschnittverweigerer

Rückschnittverweigerer

Rückschnittverweigerer

Staudenrückschnitt? Ja oder Nein?

Die sogenannten „Rückschnittverweigerer“
oder Der Mut zum Nichtstun

 

„Zugegeben,  noch sind wir eine überschaubare Minderheit – aber wir werden immer mehr!
Denn ich hab´ ein untrügliches Gespür für solche Dinge.“

Äh – Worum geht´s hier eigentlich?

Wer viele (oder sehr viele) Stauden in seinem Garten hegt und pflegt, weiß, wovon ich spreche. Die Schnittarbeiten nach dem Winter (oder Herbst) sind recht zeitintensiv.

Lest dazu auch gern meinen Blog: Gräser- und Staudenrückschnitt.

Meistens, irgendwann nach dem Winter, wenn´s wieder halbwegs mild wird und der Schnee weg ist, beginnst Du brav alle oberirdisch toten Teile zurückzuschneiden – so erledigt. Nachher sammelst du den Schnitt noch ein, oder du stopfst ihn parallel mit der Schneiderei in Säcke – ok erledigt. So, nun noch die Frage: „Was jetzt mit den doch recht üppigen Mengen Schnittgut anstellen?“ Häckseln und als Mulch wieder auf den Beeten ausbringen? Oder doch besser Kompostieren? Oder überhaupt Säcke ins Auto oder auf den Anhänger rauf und auf die Grünschnittdeponie. Auch schade um die gute Biomasse. Fragen über Fragen.

Ich beklage mich nicht, denn ich mach diese Arbeiten tatsächlich nicht ungern – ich bin nämlich a) Gärtner b) gern draußen in der wärmenden Spätwintersonne und hänge c) meinen Gedanken ebenso gerne nach und freue mich d) auf das baldige Austreiben und somit auf den Frühling.
Aber irgendwann in den letzten Jahren habe ich damit begonnen, einige meiner Staudenbereiche überhaupt nicht mehr zurückzuschneiden. Das heißt, die gesamte, abgestorbene Pflanzenmasse verbleibt in den Beeten. Mittlerweile sind es doch recht große Flächen, mit denen ich so verfahre.

Hier stelle ich euch einige dieser Beete/Stauden vor und erkläre, warum man auch  so verfahren kann oder soll (oder darf) – wenn man sich traut (Stichwort: Psychodruck perfekter Gartennachbar).

 

Beet 1, Kandelaber- Ehrenpreis – schmales langes Beet, Ausdehnung  ca. 2 x 15 m

Eine passable Fläche mit einer enormen Wirkung übers Gartenjahr.
Und ein Insektenmagnet der Extraklasse!

 

Rückschnittinsektenpflanze

Ich steh dazu: im ersten Jahr ging ich noch etwas verhalten vor:  Ich hab´ den Häcksel in die Fläche reingestellt, die braunen, trockenen Stängel durchgeschoben und alles, was unten rauskam  gleich wieder auf der Fläche aufgeteilt. Das lockere Häckselgut kann schon eine Schichtstärke von 10-15 cm kriegen. Das hat auch bestens funktioniert, denn der Häcksel hat die Fläche sehr schön abgedeckt, also gemulcht. Unkraut hat da kaum eine Chance.

mulchen

Mittlerweile überlasse ich diese Fläche allerdings auch nach dem Winter völlig sich selbst.

Die Idee kam mir, nachdem kräftige Sommergewitter die zu diesem Zeitpunkt sicher mannshohen Stauden hingelegt und umgeknickt haben. Die Stauden sind danach nicht kaputt, sie blühen auch genauso weiter.  Dieses solcherart „niedergewalzte“ Beet hat auch einen gewissen Reiz.
Aber mir fiel die winterliche Masse der abgestorbenen und festen Stängel ein, die durch meinen Häcksler marschiert sind.
Diese braun-gelben Stängel knicken über den Winter durch Schnee und Wetter  zwar etwas zusammen. Bilden aber insgesamt ein wirres und recht stabiles Dickicht.
Die tote Pflanzenmasse  steht wie eine Art Stützgerüst zur Verfügung.

 

 

Somit wurde im Folgefrühjahr nicht mehr gehäckselt. Die Fläche blieb genauso wie sie der Winter hinterließ.

Mir gefällt dies Fläche auch weit besser, als eine penibel leergeräumte.
Der Lebenszyklus der Stauden ist so recht schön sichtbar. Die Fläche hat auch im abgestorben Zustand eine starke räumliche Wirkung.Im Frühjahr treiben die Neutriebe recht rasch durch das Wirrwarr.
Und im Sommer stützen diese vielen toten Stängel, die nur sehr langsam verrotten, die hohen Ehrenpreispflanzen.
Die abgestorbenen Pflanzenteile sind nach dem Durchtreiben der Stauden übrigens nicht mehr zu sehen. Sie verschwinden in der wogenden  Masse der Ehrenpreise.
Beet 2, Funkien mit Cyclamen kombiniert, Ausdehnung ca. 2 x 5 Meter

Mein Funkienbeet lasse ich seit einigen Jahren völlig unberührt stehen. Das absterbende Laub bildet einen sehr guten Schutz gegen Unkrautsamen und lässt kein Licht auf den Boden. Die Sorte ‚Krossa Regal‘ mit ihrem hohen und trichterförmigen Wuchs bietet sich bestens dazu an, diverse Zwiebelpflanzen  dazwischenzusetzen. Ich hab Cyclamen bzw. Frühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum)  gesetzt.
Die fühlen sich wie die meisten Zwiebelpflanzen auch am wohlsten, wenn man sie einfach in Ruhe lässt.
Die Funkien sterben im Herbst in einem großen Finale mit herrlicher Herbstfarbe ab und fallen dann recht rasch in sich zusammen. Wie nasser Karton bedeckt das tote Laub das Erdreich. Das ist praktisch, denn sie stellen sich sozusagen ihren eigenen Mulch selbst her.

 

staudenrückschnitt
Cyclamen durchdringen das Funkienlaub im Februar

Frühlingsblüher durchdringen diese recht dünne und schön am Boden angeschmiegte  Lage mühelos. Überdies haben sie lang Zeit, ihren Zyklus von der Blüte bis zum Einziehen zu Ende zu bringen: Funkien treiben bekanntlich sehr spät aus.
Dies kann bei größeren Tuffs im Frühjahr recht lange etwas trist aussehen.  Daher: Einfach mit geeigneten Zwiebelpflanzen kombinieren.

 

Beet 3, Himalaya-Knöterich ‚Johanniswolke‘, Ausdehnung ca. 10 x 10 Meter

 

Tote Stängel -Top Überwinterungsquatier für Insekten

Ebenso mache ich es bei einer größeren Gruppe von Knöterich Sorte ‚Johanniswolke‘. Ich geh nur mit der Sense im Frühjahr  flott drüber und lass alles liegen. Schaut vielleicht unordentlich aus. Aber irgendwie macht es keinen Sinn, die Flächen abzuräumen, zu häckseln und den Häcksel als Mulch dann wieder mühselig in den Flächen aufzuteilen. Die toten Stängel zerfallen auch so gemütlich vor sich hin und geben nebenbei  Insekten Unterschlupf.

Überlegungen, Betrachtungen, Vor- und Nachteile des Rückschnittverweigerns

Ich selbst  liebe  diesen natürlichen und verwilderten Look in meinem Garten und möchte ihn nicht mehr missen. Besonders im Winter und Frühling entfaltet sich diese morbide Schönheit von Verfall. Ich erfreue mich an dieser Zeit der Dekadenz in meinem Garten sehr. Und vermisse dies übrigens auch weitestgehend in vielen Gärten.
Die frühen Zwiebelpflanzen, die sich durch die abgestorbene Blattmasse durchdrängen, bekommen so ihren passendsten Rahmen. FOTO
Wie öde haben´s da die Krokuse, Cyclamen und Frühlingsknotenblumen, die sich aus sauberen und  brav gemulchten Beeten rausstrecken. Jeder, der den Anblick von Frühlingsknotenblumen in einer Aulandschaft schon genossen hat, weiß, was ich meine.

 

schneeglöckchen

Na gut, manche werden sicher sagen: Ungepflegt! Damit kann ich leben.

rückschnitt
Ich möchte da auch gar nicht widersprechen. Denn im herkömmlichen Sinne habe ich nicht gepflegt.  Haben wir nicht einen Garten, um uns eben um gerade diesen kümmern zu können?
Allerdings erinnert uns diese Herangehensweise daran, dass Natur auch ganz gut ohne uns zu recht kommt und von uns durchaus überpflegt und da und dort auch zu Tode gepflegt wird.

Durch das Belassen der toten Materie tragen wir zu einem besonders gesunden Bodenleben bei. Wir fördern das Überleben und die Vielfalt unserer Insekten und Kleinstlebewesen besser als in oft sinnlosen  (weil nicht fachgerechten) Insektenhotels.

Diese Art der „Pflegemaßnahme“ eignet sich besonders gut für robuste Stauden, die nährstoffreiche, humose Böden bevorzugen. In der Art unserer natürlichen Hochstaudenfluren wird sich auch hier mit der Zeit immer mehr Biomasse ansammeln. Wir müssen nicht düngen. Die Pflanzung düngt sich selbst.
Allerdings kann es doch mit den Jahren wieder nötig werden, regulierend einzugreifen. Nämlich dann, wenn unsrer Stauden schließlich unter ihrer eigenen Laubmasse zu ersticken drohen.

Schwächerwüchsige und nicht so konkurrenzstarke Stauden verschwinden hier schneller. Sie werden u.U. zu sehr zugedeckt und bekommen dann zu wenig und zu spät Licht.
Es funktioniert also gut in größeren oder sehr großen Flächen von einer oder wenigen Staudenarten.

In diesen Flächen gibt es so gut wie kein Unkraut. Es kann nicht keimen, weil der Boden zu keiner Zeit im Jahr besonders viel Licht abbekommt. Der Boden trocknet auch bei langen Trockenperioden kaum aus –  ist er doch ständig bedeckt und beschattet.

Aber Achtung: Sind Wühlmäuse vorhanden, so fühlen sich diese in solchen Bereichen sehr wohl. Sie sind dort vor natürlichen Feinden recht gut geschützt und findet massig Material zum Nestbau vor.
Da muss man einfach mit wachem Auge dabei sein um bei Bedarf reagieren zu können.
Aber dies wär schon wieder ein herrliches eigenes  Blogthema.

Und bitte Achtung bei Stauden, die  eher nährstoffarme Standorte bevorzugen. Also Stauden für magere Standorte. Alpinstauden oder solche die uns aus mageren Blumenwiesen bekannt sind, zählen da dazu. Hier sollte ja eine Anhäufung von organischer Masse gerade vermieden werden. Diese führt anfangs vielleicht noch zu einem mastigen Wuchs. Auf Dauer verschwinden diese Stauden dann auch  meist.

Es soll jeder selbst entscheiden, ob er damit was anfangen kann oder es mal ausprobieren möchte.
Es ist  auch nicht für alle Staudentypen geeignet.
Aber dort, wo´s passt, kann die Bereicherung  nach einer kleinen Gewöhnungsphase enorm sein.

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